Beschreibung

Die Geschichte der Kirche St. Johannes der Täufer in Orawka

fot. Tomasz Parys

Orawa ist ein historisch-ethnografisches Gebiet an der polnisch-slowakischen Grenze. In dem polnischen Teil von Orawa ist diese Kirche die erste katholische Pfarrkirche und zugleich das älteste erhaltene Denkmal.

Presbyterium mit der Sakristei und das Kirchenschiff, die ältesten Teile der Kirche, wurden in den Jahren ca. 1651–1656 aus Tannenholz in Blockbauweise, d. h. ohne Nägel errichtet. Der Initiator des Baus und erster Pfarrer war Pater Jan Sczechowic. Im Jahre 1728 wurde an die Holzkirche eine gemauerte Kapelle angebaut, die der Schmerzhaften Mutter Gottes gewidmet ist.

Die Wände und die Decke der Kirche sind mit einer Polychromie bedeckt, die von unbekannten Malern in Temperatechnik auf Holz geschaffen wurde. Diese Malereien entstanden in mehreren Etappen zwischen ca. 1680 und 1711. Die wichtigsten Gemälde sind die 14 Szenen aus dem Leben des hl. Johannes des Täufers. Der Zyklus beginnt auf der Decke mit der Szene „Die Verkündigung an Zacharias“ und setzt sich in Richtung der Empore mit „Die Heimsuchung Mariens bei Elisabeth“ fort. Weiter auf der Decke, nun im Kirchenschiff, folgen „Die Geburt des hl. Johannes“ und „Der kleine Johannes in der Wildnis“. An der Nordwand sind von der Empore in Richtung Altar Darstellungen des Wirkens des Kirchenpatrons zu sehen: „Der hl. Johannes predigt zu den Menschenmengen“, „Die Stimme des Rufenden in der Wüste“, „Johannes stellt Jesus den Pharisäern und Jüngern vor“, „Die Taufe Jesu im Jordan“ und links vom Hauptaltar „Die Ermahnung des Herodes“. An der Südwand sind die letzten Tage des Kirchenpatrons dargestellt: „Der hl. Johannes im Gefängnis“, „Das Martyrium des hl. Johannes“, „Das Gastmahl des Herodes“ sowie vor dem Triumphbogen „Herodias und Salome mit dem Haupt des hl. Johannes“. Der Zyklus schließt mit „Das Begräbnis des hl. Johannes“ über der Tür des Seiteneingangs der Kirche.

Der zweite Polychromie-Zyklus umfasst 50 Darstellungen von Heiligen und Seligen, die mit der Geschichte des Königreichs Ungarn verbunden sind, weil gehörte Orawa zu diesem Königreich bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Die Malereien wurden nach den Kupferstichen von Gabriel Hevenesi mit dem Titel Ungaricae Sanctitatis Indicia, die 1692 veröffentlicht wurden, angefertigt. Dargestellt sind Könige, Bischöfe, Märtyrer, Ordensleute sowie heilige Frauen aus der königlichen Familie der Arpad.

Die Malereien an der Chorbalustrade links vom Haupteingang illustrieren anschaulich die zehn Gebote und zeugen von einer genauen Kenntnis des damaligen Lebens der Adligen und Bauern, der Bräuche und Sitten der Region Ober Orawa. Diese Gemälde geben auf einzigartige Weise Auskunft über die Volkstrachten und Gebrauchsgegenstände jener Zeit.
Erwähnenswert ist auch noch die naive Darstellung der Szene mit der Hölle. Man findet sie gleich hinter der Eingangstür am Aufgang zum Chor. Zierde der Orgelempore sind als Himmel die dreizehn musizierenden Engel. Ihre Instrumente geben authentisch Auskunft über Instrumentenbau und Spielpraxis jener Zeit.

Die Kirche hat drei spätbarocke Altäre aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der Hauptaltar wird von einer interessanten Pietadarstellung vom Ende des 17. Jahrhunderts geschmückt. Im Juni und zu Weihnachten ist die Pieta mit einem Gemälde des Heiligen Johannes bedeckt. Die Pieta flankiert ist von den polnischen Schutzheiligen Adalbert (links) und Stanislaus (rechts). Über den Altartüren thronen mit den heiliggesprochenen Ungarnkönigen Stephan I. und Ladislaus I. die Reichsgründer Ungarns.
Die oberen Ränge des Hauptaltars sind die heiligen Fürsten Emmerich und Kasimir sowie die Märtyrerinnen Katharina von Alexandrien und Barbara von Nikomedia dargestellt.

Der linke Nebenaltar in Kirchenschiff ist der Allerheiligsten Jungfrau Maria gewidmet. Bemerkenswert ist die Darstellung des Erzengels Michael und seines Sieges über den Teufel.
Der rechts gelegene Nebenaltar stellt die Leiden Christi dar. Bei dem Gemälde handelt es sich um eine Kopie der „Kreuzigung“ von Peter Paul Rubens. Der Altar verstellt den Blick auf den “Nachdenklichen Christus, Schmerzensmann”, die älteste Statue in der Kirche aus dem Jahr 1490. Sie trägt alle Stilmerkmale der Gotik und gefällt durch die Natürlichkeit der Darstellung.

Auf dem hölzernen Triumphbogen verweist die Jahreszahl 1711 unterhalb der Kreuzigungsgruppe auf den Abschluß der überaus prächtigen Ausmalung der Kirche. Diese reicht von der Decke bis zum Kirchengestühl und dem Beichtstuhl. Wer genau die zahlreichen beeindruckenden Bildzyklen geschaffen hat, ist nicht überliefert.
Die hölzerne Kassettenholzdecke zieren herrliche Rosetten in leuchtenden Farben und verschiedenen Formen. Es liegt nahe, daß die Maler die höfischen Vorbilder ihrer Zeit genau gekannt haben.

Auf der rechten Seite des „Leidensweges Jesu“ sieht man das Wappen des Erzbischofs von Esztergom, Georg Lippay. Er war einer der Gönner und Wohltäter der Kirche in Orawka. Auf der linken Seite bemerkt man das Wappen der Habsburger Kaiser.

Die renovierungsbedürftige Orgel von 1670 war ein Geschenk der Habsburger an den damaligen König von Ungarn. Der hielt seine schützende Hand über die Katholiken und besonders über die Kirche von Orawka.

Daher im Jahre 1651 schenkte König Ferdinand III. von Habsburg dem Kirchlein in Orawka eine 15 Zentner schwere Glocke mit der Aufschrift:  „Me donavit Ferdinandus III Imperator Romanorum Augusti 1651“. Ein Jahr darauf spendete der ungarische König Ferdinand IV. zwei kleinere Glocken mit der Aufschrift: „Me donavit universis Catholicis Arvensibus Ferdinandus IV Rex Hungariae, Bohemias 1652“. Bis auf eine Glocke wurden diese während des 1. Weltkriegs von ungarischen Behörden requiriert. Sie können es im Glockenturm neben der Kirche sehen.

Gern begrüßen wir Sie persönlich in unserer bemerkenswerten Kirche.
Sie sind herzlich eingeladen.

Bearbeitung: Hans-Jürgen Moder